Donnerstag, 9. April 2015

Blütenpracht hinter dem Gartenzaun

Der Titel täuscht. Bei uns gibt es vorerst weder das eine noch das andere.

Woran das liegt? An uns.

Wie ja bereits bekannt ist, liegen wir (und die anderen 19 Nachbarn) mit der Gartenseite unseres Grundstücks an einem viel befahrenen, berollschuhten und bewanderten Radweg. Einem Ort, an welchem zudem sämtliche Hundebesitzer mit ihren Tieren aus sämtlichen Umgebungen „Gassi“ gehen.  Seit der Umstellung auf die Sommerzeit treffen sich außerdem gegen Abend regelmäßig diverse Herren auf diesem Radweg um dort ihr Feierabendbier zu trinken. Und täglich haben mehr Herren Feierabend und Lust auf ein Bier, so dass die Gruppe ständig größer wird.

In weiser Vorausahnung entschlossen wir Nachbarn uns bereits während der Bauphase dazu, dass wir den hinteren Zaun - zu eben jenem Radweg hin - gerne ein wenig höher hätten, als es eigentlich vom Bauträger vorgesehen war.  Einstimmig. Leider vergaßen wir, uns rechtzeitig um eine entsprechende Baugenehmigung zu kümmern.

Wobei „vergessen“ nicht ganz der richtige Ausdruck ist.

Zum einen gab der Chef der Firma K., welche für die Fertigung und Gestaltung des Außengeländes zuständig ist (und natürlich an diesem Zaun gut verdient), die Auskunft, dass für die geplante Höhe keine Baugenehmigung notwendig sei,  und zum anderen existieren derart viele Vorschriften, Bauordnungen und Regelungen, dass diese für Verwirrung sorgen konnten. 

So sieht die Landesbauordnung in NRW für Gartenmauern an der Grenze eine maximale Höhe von zwei Metern vor: Höhere Mauern müssen die Abstandflächen nach § 6 Abs. 10 BauO einhalten, also einen Mindestabstand von 3 Metern zur Nachbargrenze.
Das Nachbarrechtsgesetz NRW regelt zum Thema Einfriedungen zunächst die Voraussetzungen der Einfriedigungspflicht (§ 32 NachbG), also die Frage, wer wann die Errichtung einer Einfriedigung verlangen kann. Auch der Grundsatz, dass eine ortsübliche Einfriedigung vorzusehen ist - soweit öffentlich rechtlich nichts anderes vorgegeben ist - findet man hier (§ 35 NachbG)
Viel weiter können die Gemeinden mit örtlichen Bauvorschriften nach § 86 Abs. 1 BauO gehen. Dort finden sich dann auch Gestaltungssatzungen mit detaillierten Anforderungen. Solche Satzungen sind zumeist im Ortsrecht der Gemeinde veröffentlicht und vielfach im Internet verfügbar. Sie können aber auch als Festsetzungen in Bebauungspläne aufgenommen werden (§ 86 Abs. 4 BauO) und sind dann meist nur zusammen mit dem jeweiligen Bebauungsplan verständlich und erhältlich.
Und dann gibt es da noch den Passus in der Bauordnung, nach welchem Einfriedungen zu einer öffentlichen Verkehrsfläche hin lediglich bis zu einer Höhe von 1,0 Metern genehmigungsfrei sind.

Nun stellt sich für einige Anwohner die Frage, ob der Radweg eine öffentliche Verkehrsfläche ist, da das Grundstück nicht der Stadt gehört.  
Warum diese Frage aufkommt, ist mir nicht ganz schlüssig, denn in meinen Augen zählen zum öffentlichen Verkehrsraum alle Verkehrsflächen, auf denen ohne Rücksicht auf verwaltungsrechtliche Widmung oder auf Eigentumsverhältnisse, aufgrund stillschweigender oder ausdrücklicher Duldung des Verfügungsberechtigten die Benutzung durch einen unbestimmten Personenkreis (= jedermann) zugelassen ist. Also auch der Radweg und die Seitenstreifen.

Gibt es jemanden, der bis hierher mitgelesen UND eine Ahnung hat, wie hoch unser Zaun sein darf?

Nein? Ich inzwischen schon. Allerdings eher nicht aus all den Rechtsvorschriften etc. sondern aus dem Bebauungsplan für unser Gebiet, welcher öffentlich im Internet einsehbar ist. Darin steht klar und deutlich, dass die Einfriedung 1,25 m nicht übersteigen darf.  Und nur das Bauordnungsamt kann – nachdem alle 20 Eigentümer einen Bauantrag gestellt haben – entscheiden, ob es einen Zaun in unserer Wunschhöhe genehmigt oder auch nicht. Bis zur Entscheidung können allerdings gute 4 bis 6 Wochen vergehen.

Ohne diese Genehmigung bin ich dagegen, dass der Zaun aufgestellt wird, was mich vermutlich zum sogenannten Buhmann macht – sowohl für manche Nachbarn („Warum können wir den Zaun nicht einfach ohne Genehmigung aufstellen lassen?“) als auch für die Firma K., die uns allen ja unter falschen Voraussetzungen („Sie brauchen keine Baugenehmigung“) einen Zaun verkaufen wollte und nun nicht aufstellen darf.

Natürlich könnte zuerst der Zaun errichtet und dann nachträglich beantragt und auch nachträglich (ggf. unter erhöhten Kosten und Gebühren) genehmigt werden…  Aber genauso gut könnten wir uns eine Abrissverfügung und Geldbuße einhandeln. Und warum sollte ich vorsätzliche oder grob fahrlässige Rechtsverstöße erzeugen, wenn es doch mögliche Alternativen (abwarten und bei Ablehnung Standardzaun setzen lassen oder  auch Standardzaun setzen lassen, abwarten und bei Erteilung der Genehmigung später den Zaun austauschen) gibt?


Im Augenblick sieht es erst einmal so aus, dass der Zaunbau gestoppt ist. Am Montag erfolgt noch einmal ein Anruf bei der Stadtverwaltung, da erst an diesem Tag die zuständige Mitarbeiterin für unseren Stadtteil aus dem Urlaub zurück ist. Ich hoffe, dass sich bei diesem Telefonat zumindest ein Hinweis darauf ergibt, wie die Chancen auf eine Erteilung der Baugenehmigung stehen.  Denn so ganz ohne Zaun werden wir natürlich auch die Gartengestaltung nicht in Angriff nehmen können. Schließlich finde ich es nicht sonderlich prickelnd in den fertigen Beeten täglich nach Hundekot suchen zu müssen. Und erst den Standardzaun errichten und diesen dann später MIT Baugenehmigung austauschen lassen kann sich - O-Ton - nicht jeder leisten. Also darf das Unkraut vermutlich in diesem Sommer wuchern was das Zeug hält. 

Und nun überlege ich grad, mit welchem Namen ich zukünftig wohl angesprochen werde ...
Dippelschisser? Fliegenbeinzähler? Tüpfelreiter? Formalist? Oder Korinthenkacker?


Eine Nachbarin hatte gestern übrigens eine wirklich gute Geschäftsidee. 
Falls sie in der Zeit ohne Zaun den Wunsch verspürt im Garten zu grillen, legt sie einfach ein paar Würstchen mehr auf den Rost und verkauft sie an all jene Leute, die hungrig über den Radweg pilgern ...

Bemüh dich nur und sei hübsch froh,
der Ärger kommt schon sowieso
(Wilhelm Busch)



In diesem Sinne allen einen schönen Donnerstag.


2 Kommentare:

  1. Du bist der Brüller meine Liebe! Ich könnt schon wieder lachen, wenn's nicht so ernst wäre. Und wenn ich erstmal einen Grill habe..... muss ich da nicht auch ne Ausschankgenehmigung haben, um meine Würstchen an den wildfremden Mann zu bringen?

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  2. Nur ein Gesundheitszeugnis, da du ja Speisen vor Ort zubereitest.
    Sollte dein Göttergatte sich allerdings kurzfristig überlegen, dss ein oder andere Fläschchen an die armen durstigen Wandersleut herauszugeben ... Tja ... dannn wird es brenzlig *mir die Lachtränen aus den Augen wische*

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