Der Titel täuscht. Bei uns gibt es vorerst weder das eine
noch das andere.
Woran das liegt? An uns.
Wie ja bereits bekannt ist, liegen wir (und die anderen 19
Nachbarn) mit der Gartenseite unseres Grundstücks an einem viel befahrenen,
berollschuhten und bewanderten Radweg. Einem Ort, an welchem zudem sämtliche
Hundebesitzer mit ihren Tieren aus sämtlichen Umgebungen „Gassi“ gehen. Seit der Umstellung auf die Sommerzeit
treffen sich außerdem gegen Abend regelmäßig diverse Herren auf diesem Radweg
um dort ihr Feierabendbier zu trinken. Und täglich haben mehr Herren Feierabend
und Lust auf ein Bier, so dass die Gruppe ständig größer wird.
In weiser Vorausahnung entschlossen wir Nachbarn uns bereits
während der Bauphase dazu, dass wir den hinteren Zaun - zu eben jenem Radweg
hin - gerne ein wenig höher hätten, als es eigentlich vom Bauträger vorgesehen
war. Einstimmig. Leider vergaßen wir,
uns rechtzeitig um eine entsprechende Baugenehmigung zu kümmern.
Wobei „vergessen“ nicht ganz der richtige Ausdruck ist.
Zum einen gab der Chef der Firma K., welche für die
Fertigung und Gestaltung des Außengeländes zuständig ist (und natürlich an
diesem Zaun gut verdient), die Auskunft, dass für die geplante Höhe keine
Baugenehmigung notwendig sei, und zum
anderen existieren derart viele Vorschriften, Bauordnungen und Regelungen, dass
diese für Verwirrung sorgen konnten.
So sieht die Landesbauordnung in NRW für Gartenmauern an der
Grenze eine maximale Höhe von zwei Metern vor: Höhere Mauern müssen die
Abstandflächen nach § 6 Abs. 10 BauO einhalten, also einen Mindestabstand von 3
Metern zur Nachbargrenze.
Das Nachbarrechtsgesetz NRW regelt zum Thema Einfriedungen
zunächst die Voraussetzungen der Einfriedigungspflicht (§ 32 NachbG), also die
Frage, wer wann die Errichtung einer Einfriedigung verlangen kann. Auch der
Grundsatz, dass eine ortsübliche Einfriedigung vorzusehen ist - soweit
öffentlich rechtlich nichts anderes vorgegeben ist - findet man hier (§ 35
NachbG)
Viel weiter können die Gemeinden mit örtlichen
Bauvorschriften nach § 86 Abs. 1 BauO gehen. Dort finden sich dann auch
Gestaltungssatzungen mit detaillierten Anforderungen. Solche Satzungen sind
zumeist im Ortsrecht der Gemeinde veröffentlicht und vielfach im Internet
verfügbar. Sie können aber auch als Festsetzungen in Bebauungspläne aufgenommen
werden (§ 86 Abs. 4 BauO) und sind dann meist nur zusammen mit dem jeweiligen
Bebauungsplan verständlich und erhältlich.
Und dann gibt es da noch den Passus in der Bauordnung, nach welchem
Einfriedungen zu einer öffentlichen Verkehrsfläche hin lediglich bis zu einer
Höhe von 1,0 Metern genehmigungsfrei sind.
Nun stellt sich für einige Anwohner die Frage, ob der Radweg
eine öffentliche Verkehrsfläche ist, da das Grundstück nicht der Stadt
gehört.
Warum diese Frage aufkommt, ist
mir nicht ganz schlüssig, denn in meinen Augen zählen zum öffentlichen
Verkehrsraum alle Verkehrsflächen, auf denen ohne Rücksicht auf verwaltungsrechtliche
Widmung oder auf Eigentumsverhältnisse, aufgrund stillschweigender oder
ausdrücklicher Duldung des Verfügungsberechtigten die Benutzung durch einen
unbestimmten Personenkreis (= jedermann) zugelassen ist. Also auch der Radweg
und die Seitenstreifen.
Gibt es jemanden, der bis hierher mitgelesen UND eine Ahnung
hat, wie hoch unser Zaun sein darf?
Nein? Ich inzwischen schon. Allerdings eher nicht aus all
den Rechtsvorschriften etc. sondern aus dem Bebauungsplan für unser Gebiet, welcher
öffentlich im Internet einsehbar ist. Darin steht klar und deutlich, dass die
Einfriedung 1,25 m nicht übersteigen darf. Und nur das Bauordnungsamt kann – nachdem alle
20 Eigentümer einen Bauantrag gestellt haben – entscheiden, ob es einen Zaun in
unserer Wunschhöhe genehmigt oder auch nicht. Bis zur Entscheidung können
allerdings gute 4 bis 6 Wochen vergehen.
Ohne diese Genehmigung bin ich dagegen, dass der Zaun
aufgestellt wird, was mich vermutlich zum sogenannten Buhmann macht – sowohl für manche Nachbarn („Warum können wir den Zaun nicht einfach ohne Genehmigung aufstellen
lassen?“) als auch für die Firma K., die uns allen ja unter falschen
Voraussetzungen („Sie brauchen keine Baugenehmigung“) einen Zaun verkaufen
wollte und nun nicht aufstellen darf.
Natürlich könnte zuerst der Zaun errichtet und dann
nachträglich beantragt und auch nachträglich (ggf. unter erhöhten Kosten und
Gebühren) genehmigt werden… Aber genauso
gut könnten wir uns eine Abrissverfügung und Geldbuße einhandeln. Und warum
sollte ich vorsätzliche oder grob fahrlässige Rechtsverstöße erzeugen, wenn es
doch mögliche Alternativen (abwarten und bei Ablehnung Standardzaun setzen
lassen oder auch Standardzaun setzen
lassen, abwarten und bei Erteilung der Genehmigung später den Zaun
austauschen) gibt?
Im Augenblick sieht es erst einmal so aus, dass der Zaunbau
gestoppt ist. Am Montag erfolgt noch einmal ein Anruf bei der Stadtverwaltung,
da erst an diesem Tag die zuständige Mitarbeiterin für unseren Stadtteil aus
dem Urlaub zurück ist. Ich hoffe, dass sich bei diesem Telefonat zumindest ein
Hinweis darauf ergibt, wie die Chancen auf eine Erteilung der Baugenehmigung
stehen. Denn so ganz ohne Zaun werden
wir natürlich auch die Gartengestaltung nicht in Angriff nehmen können.
Schließlich finde ich es nicht sonderlich prickelnd in den fertigen Beeten
täglich nach Hundekot suchen zu müssen. Und erst den Standardzaun errichten und diesen dann später MIT Baugenehmigung austauschen lassen kann sich - O-Ton - nicht jeder leisten. Also darf das Unkraut vermutlich in diesem Sommer wuchern was das Zeug hält.
Und nun überlege ich grad, mit welchem Namen ich zukünftig wohl angesprochen werde ...
Dippelschisser? Fliegenbeinzähler? Tüpfelreiter? Formalist? Oder Korinthenkacker?
Eine Nachbarin hatte gestern übrigens eine wirklich gute Geschäftsidee.
Falls sie in der Zeit ohne Zaun den Wunsch verspürt im Garten zu grillen, legt sie einfach ein paar Würstchen mehr auf den Rost und verkauft sie an all jene Leute, die hungrig über den Radweg pilgern ...
Bemüh dich nur und sei hübsch froh,
der Ärger kommt schon sowieso
(Wilhelm Busch)
In diesem Sinne allen einen schönen Donnerstag.